Zugegeben, das ist eine recht verwegene These. Aber versucht
es doch einmal selbst. Versuche jetzt nicht an einen rosanen Elefanten zu
denken. Geht nicht? Dann war es vielleicht nicht nachdrücklich genug. NEIN,
denk nicht an einen rosanen Elefanten, LASS ES!!!!!! Klappt wieder nicht?
Wahrscheinlich liegt es daran, dass Ihr nicht genug Respekt vor mir habt. Ich
muss wohl dringend an meiner Führungsrolle arbeiten, schließlich bin ich doch
das Alphatier in der Junghundestunde und darf mir so etwas nicht bieten lassen
;-) Ihr wisst worauf ich hinaus will…
Einen letzten Versuch machen wir jetzt noch. Versuch doch
mal statt an einen rosanen Elefanten an einen blauen zu denken. Und? Die Lösung
liegt also in einem alternativen Verhalten. So ist es auch bei unseren
Vierbeinern. „Nein, aus, lass das…“ kann nur dauerhaft funktionieren, wenn der
Hund weiß, was er stattdessen tun soll.
Alternativverhalten
Bei vielen unerwünschten Alltagssituationen gibt es einfache
Alternativen, die mit ein bisschen Übung das Leben vereinfachen. Ein Klassiker,
der Hund bellt, weil es an der Tür klingelt oder er etwas im Treppenhaus gehört
hat. Dieses Thema und andere wiederkehrende Situationen besprechen wir in Teil
zwei. Heute geht es um ein Signal zur Um- oder Rückorientierung.
Dazu zunächst ein weiteres Gedankenexperiment. Stellt Euch
vor, Ihr kommt an einem warmen Tag durstig vom Laufen nach Hause und auf dem
Tisch steht ein großes Bier/Apfelschorle. Ihr wollt gerade freudig zugreifen,
da baut sich Euer Partner vor Euch auf und sagt streng „Nein“. Das könnte je
nach Temperament zu verschiedenen Reaktionen führen ;-) . Und nun stellt euch
die selbe Ausgangslage vor und Euer Partner sagt: „Das ist abgestanden und warm,
ich hol dir schnell ein Frisches aus dem Kühlschrank.“ Dieses Angebot würde
wohl kaum jemand ausschlagen.
Was heißt das nun in Bezug auf unsere Hunde. Ganz einfach: sieht
der Hund etwas, auf das er normalerweise stark reagiert (z.B. befreundeter Hund
/ Revierrivale oder einen schmackhaften Haufen Pferdeäpfel…), bekommt er statt
eines Abbruchsignals („Nein, aus, hiergeblieben“) einfach eine attraktive
Alternative (kühles Bier) angeboten. Diese Rückorientierung, weg vom Reiz, zum
Hundeführer gibt einem die Möglichkeit das weitere Vorgehen (z.B. ableinen,
wenn der Hundefreund bereits ohne Leine unterwegs ist / in eine andere Richtung
abbiegen, um eine unangenehme Begegnung zu vermeiden) zu entscheiden.
So wird`s gemacht – Umorientierung aufbauen
Man benötigt ein lustig auszusprechendes Wort mit mehreren
„i“, das im Alltag nicht allzu häufig vorkommt. Wir verwenden beispielsweise
Kiwi. Darüber hinaus brauchen wir wie immer zunächst eine ruhige, ablenkungsarme
Umgebung und gute Laune. Und natürlich besonders gute Leckerli (die müssen
nicht gesund, sondern lecker sein) und/oder ein besonderes Spieli (welches dem
Hund sonst nicht zur freien Verfügung steht).
Das für den Hund zunächst völlig neutrale Wort „Kiwi“ muss
nun für den Hund zunächst bedeutsam gemacht (aufgeladen) werden. Dazu quietschen
wir freudig das Wort (damit dies leichter fällt, sollte es mehrere „i“
enthalten). Der Hund wird sich daraufhin vermutlich interessiert oder etwas
verwirrt (je nachdem, was er vom Hundeführer gewohnt ist) umdrehen, um zu
sehen, was da los ist (deshalb üben wir in reizarmer Umgebung, wo sonst nichts
los ist). In dem Moment, in dem der Hund sich dem Hundeführer zuwendet, bekommt
er eines der bereitliegenden Leckerli. Dieser Vorgang wird einige Male über den
Tag verteilt wiederholt, bis der Hund eine Verknüpfung erstellt hat. Ob die
Verknüpfung schon gefestigt ist, sieht man an der Reaktion des Hundes, wenn man
am Tag darauf „Kiwi“ sagt. Natürlich muss man bei diesem Test wieder ein
hochwertiges Leckerli bereithalten, sonst hat man am Vortag umsonst geübt!
Umorientierung festigen
Die Festigung des Umorientierungssignals erfolgt in zwei
parallel zu übenden Schritten. Diese bitte in den ersten Wochen nicht
gleichzeitig, sondern wirklich getrennt voneinander üben.
Verbindet der Hund mit „Kiwi“ nun schon seine tolle
Belohnung, kann man beginnen mit ein wenig Ablenkung zu üben. Die Belohnung für
das erfolgreiche Umorientieren muss natürlich höherwertig sein als die
Ablenkung. Wichtig dabei ist, dass der Hund in dieser Übungsphase das, wovon er
sich abwendet am Ende der Übung bekommt. Geschieht das (häufig) nicht, lernt
der Hund möglicherweise, dass „Kiwi“ bedeutet „mein Mensch lenkt mich von etwas
Tollem ab, um es mir wegzunehmen“.
Praktisch könnte das so ausschauen
Es wird
etwas wenig Spannendes auf den Boden gelegt (alter Apfel/Brot/langweiliges
Spieli), wenn der Hund dem Ausgelegten den Blick zuwendet, erfolgt das Signal
„Kiwi“ und der Hund bekommt, wenn er sich dem Hundeführer zuwendet seine
richtig gute Belohnung. Während er diese frisst, erfolgt die Freigabe sich das,
wovon er sich abgewendet hat zu holen.
Da Hunde situations- und ortsgebunden lernen, sollte man das
Signal in möglichst vielen Umgebungen trainieren. „Kiwi“, als Signal sich dem
Hundeführer zuzuwenden, wird also an neuen Orten zunächst wieder wie im ersten
Schritt ohne konkreten Anlass geübt. Man geht über den Parkplatz/eine Wiese/den
Waldweg und quietscht „Kiiiwiiii“, der Hund wendet sich um und bekommt seine Belohnung.
Genauso müssen unterschiedliche Situationen geübt werden, beispielsweise wenn man
von weiteren Menschen oder anderen Hunden begleitet wird.
Kaja wendet sich ab und bekommt ihren Ball |
Wer eher ein Thema
mit Artgenossen hat, übt zunächst auf große Distanz. Selbstverständlich wird
nur mit befreundeten Hunden geübt, damit der Hund nach der Umorientierung auch
tatsächlich den Kumpel begrüßen kann bzw. zum Spielen abgeleint werden kann.
Liegt eine Leinenaggression vor dient ein Signal wie „Kiwi“ allenfalls zum
Management, das dahinterstehende Problem kann so aber nicht gelöst werden.
Selbstverständlich lässt sich alles, was hier mit Leckerli
beschrieben wurde auch mit Spielis trainieren. Es bietet sich hier auch an zu
variieren und auf die jeweilige Stimmung des Hundes / Übungssituation einzugehen. Übt man unterwegs, können hierbei auch
Alltagsgegenstände zum Einsatz kommen.
Verwendung des Umorientierungssignals im Ernstfall
Hat man einige Wochen!! fleißig geübt, ist das Signal
einsatzbereit. Wichtig dabei ist, dass man auch im Ernstfall immer im
Hinterkopf behält, dass es sich hier nicht um ein Abbruchsignal, sondern um ein
unwiderstehliches Alternativangebot (kühles Bier) handelt. Das heißt, es wird in höchsten
Tönen gequietscht, auch wenn man eigentlich den Reflex zu einem strengen
Abbruchkommando hat. Das ist mit etwas Übung auch gar nicht so schwierig, wie
es sich anhört, da man mit der Zeit tatsächlich die innere Einstellung dazu
ändert.
Nach dem Prinzip use it or loose it, muss das Kiwisignal
selbstverständlich regelmäßig geübt werden, damit es im Ernstfall funktioniert.
Verwechslungsgefahr mit dem Rückruf
Auf eine Sache möchte ich zum Schluss noch hinweisen. Ein
Umorientierungssignal ist für Situationen im direkten Einflussbereich
(Lerckerlireichweite), also beispielsweise an der Leine gedacht und ersetzt
keinesfalls einen guten Rückruf. Auch wenn die Versuchung groß ist, sollte man
sein Umorientierungssignal nicht durch einen misslungenen Rückruf damit
unbrauchbar machen.
Viel Spaß beim Üben.
In einem weiteren Teil wird es um Alternativverhalten rund um Besucher gehen. Falls Ihr noch weitere Wünsche zu diesem Thema habt, sagt einfach in einer der nächsten Stunden Bescheid.
Eure Julia