Samstag, 30. Dezember 2017

Silvester - trösten erlaubt



Silvester steht vor der Tür, geböllert wird schon seit Tagen. Und als ob das für unsere Haustiere nicht schon schlimm genug wäre, sind die Medien auch noch voll mit dem längst als falsch erkannten Aufruf die Angst der Tiere zu ignorieren, um ihre Furcht nicht zu bestätigen.

Die Verhaltensforschung zeigt seit Jahren, dass unser Bauchgefühl als Tierbesitzer richtig ist: die Tiere brauchen an Silvester unsere (körperliche) Zuwendung. Und wer das immer noch nicht glauben mag, bekommt heute etwas von einer echten Sachverständigen.

Ich freue mich sehr Euch zu diesem Thema einen Text der Biologin und Verhaltensforscherin Dr. Ute Blaschke-Berthold präsentieren zu dürfen.


Mit freundlicher Genehmigung:

Unvermeidlich ... Silvester!

Nicht nur am 31. Dezember wird das neue Jahr lautstark begrüßt, sondern bereits Tage, ja Wochen vorher bemerken wir, dass Krach machen für viele Menschen offensichtlich ein selbstbelohnendes Verhalten ist. Für viele Tiere allerdings bedeutet dies eine Konfrontation mit Angstauslösern. Knallgeräusche lösen bei vielen Tieren Schreck und Angst aus, weil es Geräusche sind, die sehr plötzlich sehr intensiv auftreten. Das Gehirn eines Hundes ist darauf vorbereitet, auf genau solche Reize mit Alarmiertheit, Anspannung, Vorsicht und Fluchtverhalten zu reagieren.

Jeder Hundehalter sollte sich darauf einstellen, dass sein Hund auf Knallgeräusche reagiert. Auch Hunde, die bislang nicht offensichtlich ängstlich reagierten, könnten beim nächsten Feuerwerk betroffen sein. Denn Angst wird durch viele verschiedene Faktoren graduell abgeschwächt oder verschlimmert. So werden unterschwellig vorhandene Ängste auch für den oberflächlichen Beobachter offensichtlich, wenn der Hund zusätzlich krank ist, mit Stressoren in seinem Umfeld zu tun hat, gerade mitten in seiner Jugendentwicklung steckt oder aber zu altern beginnt.


Egal, wann, wie und wo ein Hund beginnt, Angst zu zeigen, die Empfehlungen für den Umgang mit dem Tier in diesen Situationen ähneln sich sehr. Der zentrale Punkt dieser Anleitungen lautet: Ignorieren Sie Ihren Hund, wenn er Angst hat, trösten Sie ihn keinesfalls. Trösten würde dem Tier zeigen, dass seine Angst berechtigt ist. Und so handeln viele Hundehalter gegen ihre Intuition und kümmern sich nicht um ihr Tier in den Stunden seiner Not. 


Was ist dran?

Nun, zuerst stellt sich die Frage: WAS ist Trösten? Wie sieht es aus? Ist es ein typisch menschliches Verhalten oder hat es Wurzeln im Tierreich?

In der Verhaltensbiologie gibt es für das Phänomen des Tröstens einen Fachausdruck, Social Support! Das bedeutet "Soziale Unterstützung" und ist eines der Kriterien für kooperatives Verhalten in Gruppen. Menschen zeigen dieses Verhalten, aber auch viele andere Tiere, die in Gruppen leben, sind dazu fähig, geben und holen sich Social Support. Social Support bedeutet, Gruppenmitgliedern in stressenden Situationen durch körperliche Nähe und Zuwendung zu helfen. Körperliche Nähe und Zuwendung durch Bindungspartner senkt Blutdruck, Herzfrequenz und Spiegel der Stresshormone, und hilft, beängstigende Situationen besser zu bewältigen. Würde Social Support zu einer Verschlimmerung von Angstzuständen führen, hätte sich dieses sozio-positive Verhalten im Verlauf der Entwicklungsgeschichte nicht erhalten können! Keine Gruppe kann es brauchen, dass ihre Mitglieder immer ängstlicher werden.

Hundehalter sollten sich am Wissen über Sozialverhalten orientieren und ihren Tieren ausreichend Social Support geben, um ihnen durch die stressende Silvesterzeit zu helfen. Alles, was den Hund wirklich entspannt, ist Social Support und damit erlaubt. Ignorieren oder gar Wegschicken beschädigen die Beziehung zwischen Mensch und Hund, und sind darüber hinaus auch noch asozial!


Das soll jetzt selbstverständlich nicht bedeuten, dass Ihr dem Hund sagt, dass da draußen etwas Furchtbares passiert. Ihm soll gezeigt werden, dass man verstanden hat, dass er sich unwohl fühlt und er von uns Sicherheit erwarten kann.

Guten Rutsch!

Eure Julia
P.S. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer mehr als einen Weg gibt, um ans Ziel zu kommen.