Montag, 20. August 2018

Knurren trainieren?


Letztens im Wald: Wir gehen gemütlich mit einer Freundin und den Hunden gassi, als hinter der nächsten Biegung plötzlich ein fremder Hund vor uns steht. Der Hund meiner Freundin wird steif und knurrt. Das wedelnde Gegenüber versteht sofort, dass kein Kontakt erwünscht ist und läuft zurück zu seinem rufenden Frauchen, welches ihn nun auch anleint. 

Soweit eine völlig normale Begegnung. Meine Freundin freute sich nun aber lautstark: „Siehst Du, er hat geknurrt!!!“, zum Hund: „So ein feiiiiner Bub.“ Ich nicke ihr anerkennend zu: „Hat sich das Training ja doch gelohnt.“ Die fremde Hundehalterin, mittlerweile fast auf unserer Höhe, schüttelt verständnislos den Kopf. Als sie uns passiert, wendet sie den Blick missfällig murmelnd ab (und sieht nicht, wie ich meinem Hund sogar ein Leckerli gebe, nachdem/obwohl dieser den anderen Hund zwar „böse angeschaut“ hat, sich dann aber selbstständig wieder abwendet).

„Böses Knurren“?

Im Grunde kann ich die Verwirrung der Dame sogar verstehen, denn es wirkt zunächst tatsächlich merkwürdig, wenn ein Hund für aggressives Verhalten bestätigt wird und seine Menschen sich darüber auch noch als Trainingserfolg freuen.

Knurren wird von den meisten Menschen recht persönlich genommen. Doch wo kommt die Vorstellung eigentlich her, dass es sich hierbei um etwas Ungehöriges handelt? Schaut man in ein großes gelbes Wörterbuch, findet man folgende Worterklärung zu „Knurren“:

1. (von bestimmten Tieren) als Zeichen von Feindseligkeit brummende, rollende Laute von sich          geben

2.  a. seiner Unzufriedenheit über etwas Ausdruck geben; murren

    b. brummend, aus ärgerlicher Stimmung heraus sagen

Als Synonyme führt der Duden gar an:

brumme[l]n, murren; (umgangssprachlich) herummäkeln, herummeckern, herumnörgeln, mosern, quengeln; (salopp) herummaulen; (abwertend) mäkeln, nörgeln; (umgangssprachlich abwertend) maulen, meckern; (süddeutsch) granteln; (bayrisch, österreichisch umgangssprachlich) raunzen

Es wird also klar, dass durch knurrende Hunde bei uns oft eine menschliche Sichtweise des Knurrens getriggert wird, welche mit einem Mangel an gutem Benehmen oder fehlendem Respekt verbunden ist.

„Gutes Knurren“?

Abgesehen davon, dass gut und böse rein menschliche Bewertungen sind und Tiere nicht in solchen Kategorien denken, sollten wir uns das Knurren einmal neutral anschauen.

Was ist Knurren?

Knurren ist bei Tieren in erster Linie ein völlig normales und sehr deutliches Mittel zur Kommunikation. Es drückt das Bedürfnis nach der Vergrößerung des Abstandes zum Gegenüber aus, übersetzt mag es vielleicht bedeuten: „Du verletzt meine Individualdistanz“, „Du bist zu nah an meinem Knochen“. Je nach Intensität des Knurrens kann dieser Wunsch eine sehr deutliche Aufforderung sein, übersetzt: „fass mich nicht an“, „geh von meinem Knochen weg“.

Knurren ist also genau das Gegenteil von Provokation. Knurren soll körperliche Auseinandersetzungen verhindern!

Knurren beim Spielen

Eine gewisse Verwechslungsgefahr besteht bei dem Knurren, das im Spiel zwischen Hunden, aber auch zwischen Mensch und Hund, vorkommen kann. Ist es der eigene Hund, so können die meisten dieses Spielknurren sehr deutlich vom Bedürfnis nach Distanz unterscheiden, da Frequenz und Tonlage anders sind. Diese Unterscheidung fällt aber nicht nur fremden Menschen schwer, sondern auch fremden Hunden, d.h. auch hier kann es zu Missverständnissen kommen, da knurren, auch im Spiel, immer mit einer gewissen Erregungslage verbunden ist. Knurrt Euer Hund also im Spiel mit einem wenig bekannten Hund, unterbrecht ihr das Spiel am besten für einen Augenblick.

Knurren verbieten?

Von vielen Leuten, teilweise sogar von Trainern, wird immer wieder geraten das Knurren konsequent zu unterbinden/verbieten. Das fatale an solchen Ratschlägen ist, dass sie auf den ersten Blick sogar zu funktionieren scheinen. In Wirklichkeit wird aber nur eine äußere Reaktion unterdrückt, es verschwindet weder der Auslöser noch das Bedürfnis des Hundes. Eine mögliche Folge ist das Überspringen des Kommunikationsschrittes Knurren (ist ja verboten) und damit das sog. „Schnappen ohne Vorwarnung“, oder Schlimmeres. Sicher wird das nicht in jeder verbotenen „Knurr-Situation“ die Konsequenz sein, aber solches Verhalten manifestiert sich. 

Dies war auch in der eingangs beschriebenen Situation der Fall. Dem Hund meiner Freundin ist das Knurren von Welpenbeinen an „aberzogen“ worden, was später (deutlich nach der Pubertät) zu scheinbar völlig überzogenen Reaktionen gegenüber anderen Hunden geführt hatte. Ich sage hier bewusst scheinbar, weil eine gemäßigte Reaktion, also das Knurren, untersagt war. Mittlerweile sind die beiden aber auf gutem Wege zurück zu normaler Hunde-Kommunikation, daher die Freude über das Knurren.

Ich höre jetzt schon den Einwand, dass das früher auch so gemacht wurde und nie geschadet habe. Dazu möchte ich sagen, dass früher auch öfter folgender Satz zu hören war: „den Rex mussten wir wegtun, der ist plötzlich bös geworden“….


Muss ich knurren jetzt loben?


Nein, im Normalfall nicht, sondern die Ursache verstehen und entsprechend darauf reagieren. Das ist oft leichter gesagt als getan, wenn ich da z.B. an die ältere Dame denke, die sich so gerne über Pati beugt und ihr über den Kopf streichelt. Auf ihr leises Knurren sagt sie dann lachend „Du musst doch keine Angst vor mir haben“ und will Pati dann die Gelegenheit geben ihren „Fehler“ wieder gut zu machen. Ich bin sicher mein Hund dankt es mir, dass ich mit einem fröhlichen „heute leider nicht“ weiter gehe.

Knurren sinnvoll verhindern?

Wer jetzt aber bei allem Verständnis für hündische Kommunikation das Knurren trotzdem nicht haben will, kann dies natürlich auch sinnvoll verhindern. Das ist nicht einfach und auch mit Aufwand verbunden, aber für alle Beteiligten sicher die beste Lösung. Am allerbesten lässt man es nämlich gar nicht so weit kommen, dass der eigene Hund knurren muss. Hierfür gibt es verschiedene Wege. 

Bevor der Vierbeiner nämlich zu diesem Ausdrucksmittel greift, hat er oft schon eine ganze Anzahl anderer Signale gezeigt, die erkennen lassen, dass er Abstand wünscht. Das heißt also Körpersprache beobachten und rechtzeitig für Abstand sorgen.

Man kann Situationen auch vorausschauend planen und beispielsweise den Ball wegpacken, wenn andere Hunde kommen, oder für Ungestörtheit beim Fressen sorgen, oder den Hund erst streicheln lassen, wenn er vorher an der Hand des Kindes schnüffeln durfte (und sich nicht abgewendet hat, das wäre ein Zeichen, das vor dem Knurren kommt).

Und nicht zuletzt sollte man seinen Vierbeiner an befremdliche Situationen (z.B. Krallen schneiden), die zu knurren bzw. dem Bedürfnis nach Abstand führen können, gewöhnen. Mit gewöhnen meine ich allerdings keinesfalls die „da-muss-er-jetzt-durch-und-das-endlich-mal-lernen-Methode“, die mit echtem Lernen natürlich nichts zu tun hat und darüber hinaus mehr schadet als nutzt. Das ist allerdings ein Thema, welches einen eigenen Artikel verdient.


Eure Julia
P.S. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer mehr als einen Weg gibt, um ans Ziel zu kommen.

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