Letztens im Wald: Wir gehen gemütlich mit einer Freundin und
den Hunden gassi, als hinter der nächsten Biegung plötzlich ein fremder Hund vor
uns steht. Der Hund meiner Freundin wird steif und knurrt. Das wedelnde Gegenüber
versteht sofort, dass kein Kontakt erwünscht ist und läuft zurück zu seinem
rufenden Frauchen, welches ihn nun auch anleint.
Soweit eine völlig normale Begegnung. Meine Freundin freute
sich nun aber lautstark: „Siehst Du, er hat geknurrt!!!“, zum Hund: „So ein feiiiiner
Bub.“ Ich nicke ihr anerkennend zu: „Hat sich das Training ja doch gelohnt.“
Die fremde Hundehalterin, mittlerweile fast auf unserer Höhe, schüttelt
verständnislos den Kopf. Als sie uns passiert, wendet sie den Blick missfällig murmelnd
ab (und sieht nicht, wie ich meinem Hund sogar ein Leckerli gebe,
nachdem/obwohl dieser den anderen Hund zwar „böse angeschaut“ hat, sich dann
aber selbstständig wieder abwendet).
„Böses Knurren“?
Im Grunde kann ich die Verwirrung der Dame sogar verstehen,
denn es wirkt zunächst tatsächlich merkwürdig, wenn ein Hund für aggressives
Verhalten bestätigt wird und seine Menschen sich darüber auch noch als
Trainingserfolg freuen.
Knurren wird von den meisten Menschen recht persönlich
genommen. Doch wo kommt die Vorstellung eigentlich her, dass es sich hierbei um
etwas Ungehöriges handelt? Schaut man in ein großes gelbes Wörterbuch, findet
man folgende Worterklärung zu „Knurren“:
1. (von bestimmten Tieren) als Zeichen von Feindseligkeit
brummende, rollende Laute von sich geben
2. a. seiner
Unzufriedenheit über etwas Ausdruck geben; murren
b. brummend, aus ärgerlicher Stimmung heraus sagen
brumme[l]n, murren; (umgangssprachlich) herummäkeln,
herummeckern, herumnörgeln, mosern, quengeln; (salopp) herummaulen; (abwertend)
mäkeln, nörgeln; (umgangssprachlich abwertend) maulen, meckern; (süddeutsch)
granteln; (bayrisch, österreichisch umgangssprachlich) raunzen
Es wird also klar, dass durch knurrende Hunde bei uns oft
eine menschliche Sichtweise des Knurrens getriggert wird, welche mit einem
Mangel an gutem Benehmen oder fehlendem Respekt verbunden ist.
„Gutes Knurren“?
Abgesehen davon, dass gut und böse rein menschliche
Bewertungen sind und Tiere nicht in solchen Kategorien denken, sollten wir uns
das Knurren einmal neutral anschauen.
Was ist Knurren?
Knurren ist bei Tieren in erster Linie ein völlig normales
und sehr deutliches Mittel zur Kommunikation. Es drückt das Bedürfnis nach der
Vergrößerung des Abstandes zum Gegenüber aus, übersetzt mag es vielleicht
bedeuten: „Du verletzt meine Individualdistanz“, „Du bist zu nah an meinem
Knochen“. Je nach Intensität des Knurrens kann dieser Wunsch eine sehr
deutliche Aufforderung sein, übersetzt: „fass mich nicht an“, „geh von meinem
Knochen weg“.
Knurren ist also genau das Gegenteil von Provokation. Knurren soll körperliche Auseinandersetzungen verhindern!
Knurren beim Spielen
Eine gewisse Verwechslungsgefahr besteht bei dem Knurren,
das im Spiel zwischen Hunden, aber auch zwischen Mensch und Hund, vorkommen
kann. Ist es der eigene Hund, so können die meisten dieses Spielknurren sehr
deutlich vom Bedürfnis nach Distanz unterscheiden, da Frequenz und Tonlage
anders sind. Diese Unterscheidung fällt aber nicht nur fremden Menschen schwer,
sondern auch fremden Hunden, d.h. auch hier kann es zu Missverständnissen
kommen, da knurren, auch im Spiel, immer mit einer gewissen Erregungslage
verbunden ist. Knurrt Euer Hund also im Spiel mit einem wenig bekannten Hund,
unterbrecht ihr das Spiel am besten für einen Augenblick.
Knurren verbieten?
Von vielen Leuten, teilweise sogar von Trainern, wird immer
wieder geraten das Knurren konsequent zu unterbinden/verbieten. Das fatale an
solchen Ratschlägen ist, dass sie auf den ersten Blick sogar zu funktionieren
scheinen. In Wirklichkeit wird aber nur eine äußere Reaktion unterdrückt, es
verschwindet weder der Auslöser noch das Bedürfnis des Hundes. Eine mögliche
Folge ist das Überspringen des Kommunikationsschrittes Knurren (ist ja
verboten) und damit das sog. „Schnappen ohne Vorwarnung“, oder Schlimmeres.
Sicher wird das nicht in jeder verbotenen „Knurr-Situation“ die Konsequenz sein,
aber solches Verhalten manifestiert sich.
Dies war auch in der eingangs beschriebenen Situation der
Fall. Dem Hund meiner Freundin ist das Knurren von Welpenbeinen an „aberzogen“
worden, was später (deutlich nach der Pubertät) zu scheinbar völlig überzogenen
Reaktionen gegenüber anderen Hunden geführt hatte. Ich sage hier bewusst
scheinbar, weil eine gemäßigte Reaktion, also das Knurren, untersagt war.
Mittlerweile sind die beiden aber auf gutem Wege zurück zu normaler
Hunde-Kommunikation, daher die Freude über das Knurren.
Ich höre jetzt schon den Einwand, dass das früher auch so
gemacht wurde und nie geschadet habe. Dazu möchte ich sagen, dass früher auch
öfter folgender Satz zu hören war: „den Rex mussten wir wegtun, der ist
plötzlich bös geworden“….
Muss ich knurren jetzt loben?
Nein, im Normalfall nicht, sondern die Ursache verstehen und
entsprechend darauf reagieren. Das ist oft leichter gesagt als getan, wenn ich
da z.B. an die ältere Dame denke, die sich so gerne über Pati beugt und ihr
über den Kopf streichelt. Auf ihr leises Knurren sagt sie dann lachend „Du
musst doch keine Angst vor mir haben“ und will Pati dann die Gelegenheit geben
ihren „Fehler“ wieder gut zu machen. Ich bin sicher mein Hund dankt es mir,
dass ich mit einem fröhlichen „heute leider nicht“ weiter gehe.
Knurren sinnvoll verhindern?
Wer jetzt aber bei allem Verständnis für hündische
Kommunikation das Knurren trotzdem nicht haben will, kann dies natürlich auch
sinnvoll verhindern. Das ist nicht einfach und auch mit Aufwand verbunden, aber
für alle Beteiligten sicher die beste Lösung. Am allerbesten lässt man es
nämlich gar nicht so weit kommen, dass der eigene Hund knurren muss. Hierfür
gibt es verschiedene Wege.
Bevor der Vierbeiner nämlich zu diesem
Ausdrucksmittel greift, hat er oft schon eine ganze Anzahl anderer Signale
gezeigt, die erkennen lassen, dass er Abstand wünscht. Das heißt also
Körpersprache beobachten und rechtzeitig für Abstand sorgen.
Man kann Situationen auch vorausschauend planen und
beispielsweise den Ball wegpacken, wenn andere Hunde kommen, oder für
Ungestörtheit beim Fressen sorgen, oder den Hund erst streicheln lassen, wenn
er vorher an der Hand des Kindes schnüffeln durfte (und sich nicht abgewendet
hat, das wäre ein Zeichen, das vor dem Knurren kommt).
Und nicht zuletzt sollte man seinen Vierbeiner an
befremdliche Situationen (z.B. Krallen schneiden), die zu knurren bzw. dem Bedürfnis
nach Abstand führen können, gewöhnen. Mit gewöhnen meine ich allerdings
keinesfalls die „da-muss-er-jetzt-durch-und-das-endlich-mal-lernen-Methode“,
die mit echtem Lernen natürlich nichts zu tun hat und darüber hinaus mehr
schadet als nutzt. Das ist allerdings ein Thema, welches einen eigenen Artikel
verdient.
Eure Julia
P.S. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer mehr als
einen Weg gibt, um ans Ziel zu kommen.
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