Alle marschieren hoch konzentriert auf den Hundeplatz und
werden von ihren Vierbeinern angehimmelt. Man selbst versucht auch möglichst
ordentlich in die Baumreihe zu gelangen, aber auf der halben Strecke fängt der
Hund an in die Leine zu beißen und wie wild rumzuhüpfen. Man steht mitten auf dem
Platz, jedoch tut sich leider kein Loch im Boden auf, in dem man versinken könnte.
Es geht aber auch anders. Die Stunde läuft, bisher ging auch
alles recht ordentlich, wenn auch der Hund heute ein wenig unmotiviert wirkt,
aber wer kann es ihm verdenken bei der Unruhe, die heute herrscht. Man ist ja
selbst schon etwas genervt. Dann ist plötzlich das „Platz“ krumm und schief und
am Ende geht es gar nicht mehr. Statt dessen wälzt sich der Hund völlig unerwartet wie
blöd und kommt dann auch noch mit einer Spielaufforderung daher.
Bei anderen fängt der Hund plötzlich an runzuhampeln und
Reste des herumliegenden Rasenschnitts zu sammeln und zu beuteln. Oder springt
fiepend am Hundeführer hoch.
Jeder kennt das, man hat fleißig trainiert und alles lief
eigentlich auch sehr gut und dann ist der Hund plötzlich wie ausgewechselt.
Selbst den wohlmeinendsten Zeitgenossen drängt sich da ab und zu das Gefühl auf,
der eigene Vierbeiner wolle einem auf der Nase herumtanzen. Dies wäre
allerdings eine zutiefst menschliche Reaktion, welche es im
Verhaltensrepertoire des Hundes schlichtweg nicht gibt. Warum sie aus
Hundesicht keinen Sinn ergibt, aber das vom Hund gezeigte Verhalten bei uns
gewisse Ängste und Vorstellungen triggert, werde ich später einmal erklären. Heute
geht es darum, weshalb der Hund dies tut. Was steckt also dahinter?
Will der Hund nicht oder kann er nicht?
Gerade bei Junghunden, die scheinbar plötzlich bereits
gelernte Signale nicht mehr ausführen, sollte man zunächst nicht an Arbeitsverweigerung
denken, sondern an noch nicht abgeschlossene Generalisierung, dazu habe ich
hier schon einmal etwas geschrieben.
Nebenbei bemerkt: Führen ältere Hunde, gut trainierte
Kommandos nicht mehr aus, ist es ratsam nicht an Widerstand zu denken, sondern
an körperliche Ursachen. Hat der Hund sich beispielsweise beim Rennen oder
Spielen gezerrt, kann ein schnelles Platz für ein paar Tage schmerzhaft sein.
Wer glaubt sein Hund wolle plötzlich die Weltherrschaft an sich reißen, sagt
damit mehr über die eigene innere Verfassung aus als über die Absichten des
Hundes.
Warum benimmt sich der Hund plötzlich wie der Klassenclown?
Dass Ihr und Eure Hunde auf dem Hundeplatz unter einer
gewissen Anspannung steht, muss ich wahrscheinlich nicht ausführlich erklären.
Man versucht sich von der besten Seite zu zeigen oder will, je nach Tagesform,
zumindest nicht negativ auffallen. Da sind andere, mit denen man sonst nie
etwas zu tun hat oder normalerweise seine Freizeit verbringt. Man bringt
vielleicht auch den Stress des Tages oder Hormonprobleme mit (ich meine
natürlich die Hunde 😉)
Um mit solch stressigen Situationen umzugehen, gibt es
verschiedene Strategien und Selbstberuhigungstechniken. Beispiele hierfür
wären: Sich Kratzen, Schnüffeln, Kauen, Scharren, Markieren, Rauchen, mit dem
Handy spielen uvm. Leider sind die meisten davon auf dem Hundeplatz unerwünscht
und werden entsprechen unterbunden.
Selbstberuhigung geht nicht und das andere Ende der Leine hilft auch nicht, ist vielleicht selbst mittlerweile gestresst: eine echte Konfliktsituation.
Für solche Konfliktsituationen stehen laut
Verhaltensbiologie vier Möglichkeiten zur Bewältigung zur Verfügung.
Selbstverständlich gibt es daraus Mischformen und Abstufungen in der
Intensität. Hierbei handelt es sich angelehnt an die englischen Begriffe um die
4 F:
Fight (Kämpfen): Die Variante, welche man auf dem Hundeplatz
bei zu viel erzwungener Nähe sehen kann. Bei Menschen übrigens auch, wenn sie
unnatürlich nahe zusammenstehen müssen. Man denke nur an die aggressive
Stimmung in Überfüllten S-Bahnen zur Feierabendzeit. Oder fluchende Autofahrer
auf verstopften Straßen
Flight (Flüchten): Die, falls die Möglichkeit besteht,
häufigste Variante. Häufig wird diese Strategie sogar als erstes angewandt,
aber der Versuch vom Hundeführer nicht als solcher wahrgenommen. In einer weit
gefassten Variante könnte man hier jedes Meideverhalten einrechnen.
Freeze (Einfrieren/Erstarren): Eine Reaktion, welche
gelegentlich als Unwilligkeit, Provokation oder das Einfordern von Strenge
missgedeutet wird. Man kann sich vorstellen, dass wenn der Sozialpartner, der
aus Hundesicht für seinen Schutz zuständig ist, auf das Erstarren mit noch mehr
Druck reagiert, die Situation nur verschlimmert. Geht der Hund dann vom Freeze
ins Fight über, ist das nicht ein Beweis für das Einfordern nach Strenge,
sondern die allerletzte mögliche Verhaltensweise!
Fiddle about (Herumkaspern, Blödsinn machen): Während die
ersten beiden Fs allgemein bekannt sind und das dritte zumindest theoretisch,
wenn auch oft unerkannt, wissen viele Hundehalter nicht um das vierte F. Dieses
liegt den eingangs beschriebenen Situationen zu Grunde. Es handelt sich also
bei diesem scheinbar völlig unpassenden Benehmen um eine aus wissenschaftlicher
Sicht völlig normale Verhaltensweise. Sie mag zwar auf dem Hundeplatz peinlich
sein, aber wenn man sich die Alternativen anschaut, ist es längst nicht die
schlechteste!
Dass Flight dem Fight, zumindest gegenüber dem eigenen
Menschen, vorgezogen wird, sofern nur die Möglichkeit besteht, zeigt sich gut,
wenn auf dem Hundeplatz versucht wird das Fiddle about mit Druckaufbau zu
unterbinden. Stellt Euch den momentan überforderten Hund beim plötzlichen
Grasausrupfen und Rumschmeißen vor. Ist er angeleint und wird vom Halter, der
ebenfalls überfordert ist, unsanft in die Seite gepiekt, kann das durchaus zu
einem spontanen Zähnezeigen führen. Ist der Hund aber unangeleint und hat
dementsprechend die Wahl zwischen Fight und Flight, entstehen die lustigen
Situationen, in denen sich ebenfalls nie dieses Loch im Boden auftut 😉
Um nun noch einmal auf die in der Überschrift gestellte
Frage zurückzukommen. Will mein Hund mich ärgern? Nein, er zeigt eine aus
verhaltensbiologischer Sicht völlig normale Reaktion auf einen inneren
Konflikt, in den wir ihn gebracht haben. Er kann sich also gar nicht anders
verhalten, selbst wenn er wollte.
Eure Julia
P.S. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer mehr als
einen Weg gibt, um ans Ziel zu kommen.